Mit der Auszeichnung "UNICEF Foto des Jahres" prämiert UNICEF Deutschland seit dem Jahr 2000 Fotos und Fotoreportagen, die die Persönlichkeit und Lebensumstände von Kindern weltweit auf herausragende Weise dokumentieren.
Der international renommierte Wettbewerb richtet sich an professionelle Fotograf*innen. Über die Preisvergabe entscheidet eine unabhängige Jury.
Wir stellen Ihnen hier sowohl die Siegerfotos, als auch Informationen zu den Fotograf*innen vor.
Erstmals in der nun 25-jährigen Geschichte des UNICEF Fotos des Jahres hat die Jury zwei erste Preise verliehen. Die Jury des UNICEF Foto des Jahres, wissend um sehr unterschiedliche Opferzahlen in Israel einerseits, Gaza anderseits, mochte sich nicht anmaßen, eine Rangfolge des Leidens aufzustellen. Denn jenseits aller Schuldfragen haben hier zwei Fotografinnen auf beiden Seiten der Front gleichermaßen dazu beigetragen, ein universelles Bild vom Schicksal der Kinder im Krieg zu zeichnen. Ganz ohne Blut, zurückhaltend beide, sind ihnen zarte Hinweise auf eine schwer erschütterte Psyche gelungen. Zugleich Bilder, die aufschlussreich und mahnend auch dann noch sein werden, wenn die Waffen eines Tages schweigen.
Avishag Shaar-Yashuv
Israel: Portraits of the survivors
Samar Abu Elouf
Palästina: Wounded children of Gaza
Sie haben die grauenvollen Szenen des Massakers der Hamas in ihren Kibbuzim am 7. Oktober 2023 überlebt. Sie sind vier Jahre, zehn Jahre, 13 Jahre alt. Oder 17 und waren für 51 Tage als Geisel verschleppt. In ihren Gesichtern, jenem etwa des achtjährigen Stav, offenbaren sich Fassungslosigkeit, Verlorensein, Pein.
Die israelische Fotografin Avishag Shaar-Yashuv hat sie in einem Hotel porträtiert, das vielen der Opfer der Hamas-Attacke zeitweise eine Notunterkunft war.
Avishag Shaar-Yashuv zeigt mit großer Eindringlichkeit, was es für Kinder bedeutet, einen fundamentalen Einsturz ihres bisherigen Lebens ertragen zu müssen.
Avishag Shaar-Yashuv, geboren 1990, fotografiert seit rund zehn Jahren für israelische und internationale Medien, darunter die New York Times und die ZEIT. Ihr Themenspektrum reicht von israelischem Mode-Design bis zu ukrainischen Flüchtlingen und dörflichen Öko-Gemeinschaften. Ihre Porträts der Überlebenden der Hamas-Attacke bezeichnet Shaar-Yashuv als ihre bisher wichtigste Arbeit. Sie war beim Begräbnis von Freunden dabei, die Opfer des Massakers wurden; sie will die tiefe Traurigkeit sichtbar machen, die selbst in jenen Menschen wurzelt, die äußerlich unverletzt erscheinen.
Sie haben die Bombardements der israelischen Luftwaffe auf Wohnviertel in Gaza überlebt. Sie sind zwei Jahre, vier Jahre, fünf Jahre, neun, 13 oder 15 Jahre alt, sie sind unter Trümmern hervorgegraben worden, sind gelähmt, haben ihr Augenlicht, haben Arme, Beine, Hände verloren, oft ihre Eltern, nicht selten ihre gesamte Verwandtschaft. Darunter das Geschwisterpaar Dareen, elf, und Kinan, fünf Jahre alt, die einzigen Überlebenden einer durch einen Bombenangriff ausgelöschten Familie. In diesem an altmeisterliche Gemälde erinnernden stillen Bild offenbart sich in großer Eindringlichkeit die ganze Würde von Kindern selbst noch in existentieller Seelennot.
Die palästinensische Fotografin Samar Abu Elouf hat die Kinder in einem Hospital in Katar porträtiert, wo sie gerettet wurden.
In ihren Gesichtern Fassungslosigkeit, Verlorensein, Leid.
Samar Abu Elouf, geboren 1983, hat sich das Fotografieren mit geliehenen Kameras autodidaktisch beigebracht. Zunächst verlacht von Profis der Branche, wurde Abu Elouf zu einer der mutigsten und besten Fotojournalisten in Gaza. Seit 2010 arbeitet sie als freie Fotografin für die Agentur Reuters, für die New York Times, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und andere. Sie wurde von der International Women‘s Media Foundation und der britischen Royal Photographic Society ausgezeichnet. Um ihre vier Kinder in Sicherheit zu bringen, hat sie das Angebot angenommen, eine Zeit lang nach Katar zu gehen.
Früher „Affenpocken“ genannt, macht eine seltene Viruserkrankung unter der Bezeichnung Mpox in Teilen Afrikas seit einiger Zeit ungute Karriere. Vor allem in der Demokratischen Republik Kongo mit etwa 40.000 vermuteten und mehr als 8.000 bestätigten Fällen sowie bereits über 1.000 Todesopfern. Zum zweiten Mal nach 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation die höchste Alarmstufe dazu aufgerufen; Mpox-Fälle sind unter anderem auch aus den USA und Deutschland bekannt.
Es gibt eine Impfung gegen Mpox, doch vor allem in ärmeren Ländern ist die Versorgung damit lückenhaft. Besonders gefährdet: Kinder. Mpox führt nicht nur zu Hautinfektionen mit Geschwürbildung, sondern kann auch Lungenentzündungen, Entzündungen des Gehirns und Augeninfektionen bis hin zum Sehverlust bewirken. Der französische Fotograf Pascal Maitre ist ins Zentrum der Infektionen gegangen und hat die Behandlung betroffener Kinder im Kavumu-Hospital in der Region Kivu, im Osten des Kongo, dokumentiert. Darunter ist der sieben Monate alte Junge Japhet, dessen Pusteln im Gesicht mit dem antiseptischen Medikament „Gentian Violet“ behandelt werden. Gepflegt und behütet wird der Kleine von seiner 19-jährigen Mutter Christevi.
Auch Erwachsene werden in der spärlich ausgestatteten Gesundheitsstation behandelt, dort immer noch besser aufgehoben als auf dem Lehmboden ihrer Hütten – oder in Lagern wie dem von Busharaga, wo Mpox unter den 16.000 dort untergekommenen vor interner Gewalt Geflüchteten gefährliche Ausbreitungsmöglichkeiten hat.
Pascal Maitre, 1955 in Buzancais geboren, gehört seit Jahrzehnten zu den international renommiertesten Fotografen mit Schwerpunkt auf Afrika-Themen. Nach einem Studium der Psychologie begann er als Fotojournalist bei der „Jeune Afrique“- Pressegruppe. Regelmäßig drucken große Magazine in Frankreich (Figaro Magazine, Paris Match), Deutschland (GEO, Stern) und den USA (National Geographic) seine Geschichten aus mittlerweile über 40 afrikanischen Ländern, dazu auch aus Lateinamerika, dem Mittleren Osten, Afghanistan und Sibirien. Zu den großen Themen Maitres zählen, wie 650 Millionen Menschen in Afrika ohne elektrisches Licht auskommen, oder die Abhängigkeit von Millionen Menschen von Holzkohle – mitsamt der ökologischen Folgen.
Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation werden weltweit etwa zehn Prozent aller Kinder vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren, also drei Wochen zu früh. Mit jeder Woche weniger wird der Eintritt ins Leben dramatischer, vor allem für extrem Frühgeborene, die schon nach weniger als 32, gar bereits nach 26 Schwangerschaftswochen die ersten Atemzüge machen müssen. Die größten Gefahren: mangelnde Lungenreife, Nierenunterfunktion. So ist der Tod nach Frühgeburt global der zweithäufigste Grund, das fünfte Lebensjahr nicht mehr zu erreichen.
Auch in Industrienationen wächst der Anteil der Frühgeburten, was vor allem auf das steigende Alter der Mütter bei der Geburt zurückgeführt wird, doch hat mindestens in den reichen Ländern die medizinische Fürsorge für Frühchen große Fortschritte gemacht. Schon Kinder, die nach nur knapp 22 Wochen zur Welt kamen, mit nur 26 Zentimeter Größe, mit lediglich 245 Gramm Gewicht, konnten gerettet werden.
Die französische Fotografin Maylis Rolland hat am Universitäts-Krankenhaus der Stadt Rennes einige Zeit lang die wunderbaren Momente eingefangen, in denen das zerbrechliche Leben winzigster Babys mit großem Aufwand an Geräten und zugleich intensiver menschlicher Zuwendung stabilisiert wird. Etwa jenen Moment, in dem der kleine Junge Gabin, nach 25 Schwangerschaftswochen geboren und noch unter einer Atemmaske, das Gesicht seiner Mutter Doriane berührt.
Maylis Rolland, Jahrgang 1984 und in der Nähe von Nantes lebend, hat als Lehrerin für Biologie und Geologie gearbeitet, bevor sie Fotografin wurde. Ihr Interesse gilt Umwelt- und Gesundheitsthemen; ihre Arbeiten werden in vielen französischen Medien, darunter Le Monde, publiziert und wurden bei Fotofestivals unter anderem in Perpignan und Paris gezeigt. Die Frühgeburten-Rate in Frankreich lag zuletzt bei etwa sieben Prozent; das Universitäts-Klinikum Rennes gilt in der Frühgeborenen-Versorgung als eines der fortschrittlichsten des Landes.
Seit dem Jahr 2000 prämiert UNICEF Deutschland mit der Auszeichnung "UNICEF Foto des Jahres" Fotos und Fotoreportagen, die die Persönlichkeit und Lebensumstände von Kindern weltweit auf herausragende Weise dokumentieren. Hier sehen Sie die Preisträgerinnen und Preisträger der vergangenen 25 Jahre.
Wenn Sie weitere Informationen benötigen oder Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: presse@unicef.de
Können Bilder die Welt verändern, sie zu einer besseren machen? Es gibt diese Hoffnung. Und häufig wird sie enttäuscht. Eine spezielle Kraft aber können Bilder sehr wohl entfalten. Nicht nur emotional. Sie sind ja auch ein Medium für unser Wissen von der Welt.
Können die UNICEF Fotos des Jahres die Welt verändern? Wohl nicht das. Aber unsere Kenntnis von dieser Welt. Und unsere Einstellung zu dem, was sie uns zeigen. Sie zeigen uns Kinder, die unseren Respekt verdienen. Unsere Bewunderung. Unser Mitgefühl. Und wenn sie uns animieren, dort zu helfen, wo es nötig ist, dann sind sie doch immerhin ein Schritt, mehr Licht ins Dunkel zu bringen.
Peter-Matthias Gaede ist Mitglied des Deutschen Komitees für UNICEF, langjähriger Chefredakteur GEO Magazin und Jurymitglied des Wettbewerbs UNICEF Foto des Jahres.